Utopie

Politik

Utopie

Das erste große moderne Geschichtsbuch über die UdSSR, veröffentlicht 1982 von Heller und Nekrich, trägt nicht zufällig den Titel "Utopia in Power“ (Utopia an der Macht). Seit aus der Revolution von 1917 das sowjetische Regime hervorgegangen war, hatte sich eine Hoffnung entwickelt, die nicht nur den politischen und wirtschaftlichen Aufbruch betraf: Die im 19. Jahrhundert entstandene Idee vom „neuen Menschen“ sollte verwirklicht werden und damit das höchste Ziel, eine staatenlose, egalitäre Gesellschaft, herbeiführen. Doch nach Stalins Tod 1953, wurde der "Siegeszug" der sozialistischen Wirtschaft in Frage gestellt. Stalin hatte hauptsächlich in die Schwerindustrie statt in Konsumgüter, Wohnungsbau und Landwirtschaft investiert, was das tägliche Leben der Bürgerinnen und Bürger der Sowjetunion und ihrer "Bruderländer" zunehmend erschwerte. Das System brauchte offensichtlich Reformen. Chruschtschow versuchte dies mit seinem Plan des "entwickelten Sozialismus" umzusetzen, während die Bevökerung zugleich das 1917 entstandene Projekt einer neuen Zivilisation weiterhin unterstützen sollte. Daher verblasste bis zu den 1980er Jahren auch der langanhaltende Diskurs nicht, wonach ein neuer Mensch geschaffen werden sollte, allein um an einer Gesellschaft teilzuhaben, die produziert, die ausgebildet genug ist, um den Weltraum noch vor den großen amerikanischen Rivalen zu erobern, die der kommunistischen Partei treu und gewillt und fähig ist, moderne Städte zu bauen. Doch mit der Schwächung des Regimes hielt ein nur ein zunehmend kleinerer Teil der Bevölkerung an dem utopischen Projekt fest. Stattdessen träumte das Volk von einer Gesellschaft nach westlichem Modell.

Themenarchiv

DDR-Postkarte, die Streichholzschachteln mit kosmischen Motiven abbildet

Während des gesamten Kalten Krieges war der Wettlauf im All zwischen der UdSSR und den Vereinigten Staaten Ausdruck der Rivalität der beiden Supermächte.

Land: Deutsche Demokratische Republik / Jahr:

Während des gesamten Kalten Krieges war der Wettlauf im All zwischen der UdSSR und den Vereinigten Staaten Ausdruck der Rivalität der beiden Supermächte. Schließlich ging es dabei um den militärischen und technologischen Wettlauf der Systeme, der zu Propagandazwecken ausgeschlachtet wurde. Auf den hier abgebildeten Streichholzschachteln wurden sowjetische Errungenschaften von 1953 bis Mitte der 1960er Jahre aufgegriffen: 1953 wurde der erste Satellit Sputnik in den Weltraum geschickt, einen Monat später das erste Lebewesen, der Hund Leika, und schließlich der erfolgreiche Start einer bemannten Raumfahrt, mit der Yuri Gagarin am 12. April 1961 in den Weltraum startete. Die sowjetischen Eroberungen des Weltraums setzten sich fort, aber die Vereinigten Staaten überholten dann die Sowjetunion mit der Mondlandung 1969. Die Sowjets begannen daraufhin, sich auf den Bau der Raumstationen Mir und Saljut zu spezialisieren.

Subbotnik

In den 1950er Jahren wurden die Subbotniks besonders in Ostdeutschland zum „Schaufenster“ des Sozialismus für den Westen.

Land: Sowjetunion / Jahr:

In den 1950er Jahren wurden die Subbotniks besonders in Ostdeutschland zum „Schaufenster“ des Sozialismus für den Westen. In der Praxis war die Begeisterung der Massen für das Abholzen von Wäldern und den Aufbau kollektiver Gebäude begrenzt, insofern als es im Wesentlichen erzwungene, unbezahlte Arbeit war. In den späten 1980er Jahren wurde diese „freiwillige Knechtschaft“ auf einen oder zwei Tage im Jahr beschränkt, die der Schneeräumung oder der Teilnahme an einer Frühjahrsputzkampagne gewidmet wurden.

Offizieller Bericht über die neue Stadt Wolgodonsk

Mit dem Bau des Werks Atommasch reagierte die Reagierung auf die Notwendigkeit, die Energiekosten der atomwirtschaftlichen Produktion zu senken.

Land: Sowjetunion / Jahr:

Mit dem Bau des Werks Atommasch reagierte die Reagierung auf die Notwendigkeit, die Energiekosten der atomwirtschaftlichen Produktion zu senken. Das Werk zur Herstellung von Kernreaktorteilstücken sollte Tausende junger Leute und ihre Familien motivieren, eine Karriere in der Atomindustrie zu beginnen. Zu diesem Zweck pries die offizielle Propaganda die Vorzüge einer „perfekten Stadt“ an, die zur gleichen Zeit wie das Werk entstand und sowohl Unterhaltung für Kinder als auch ideologische Betreuung für die Jugendlichen (dank des Jugendverbandes Komsomol) bot. Breite Alleen und weite Blöcke flacher Gebäude entsprachen der Ästhetik der neuen osteuropäischen Stadt.

Antikapitalistische Propaganda: Eine rumänische Familie erzählt ihre Lebensgeschichte in den USA

Viele Jahre wurde Rumänien von den westlichen Ländern als ein Regime gesehen, das sich von den anderen kommunistischen Ostblockländern unterschied, weil es in der Lage war, sich von der UdSSR zu distanzieren.

Land: Volksrepublik Rumänien / Jahr:

Viele Jahre wurde Rumänien von den westlichen Ländern als ein Regime gesehen, das sich von den anderen kommunistischen Ostblockländern unterschied, weil es in der Lage war, sich von der UdSSR zu distanzieren. Doch in den frühen 1980er Jahren belasteten erhebliche Schulden das Land. Der Staat verlor die Unterstützung des Volkes und konnte seine Macht nur erhalten, indem er seine Gegner durch die Securitate, der politischen Polizei, brutal unterdrücken ließ. Die Rumänen mussten also von den Vorzügen der rumänischen sozialistischen Wirtschaft überzeugt werden: Zu diesem Zweck wird in diesem Propagandafilm die „amerikanische Erfahrung" als eine gefährliche Illusion vorgeführt, in der Schulden und Marktgesetze alle Hoffnungen auf ein besseres Leben zerstören.

Der Abriss des Lenindenkmals, Bukarest, 5. März 1990

Der Kommunismus hatte eine eher konventionelle Auffassung von Kunst und ihrer Rolle im öffentlichen Raum.

Land: Volksrepublik Rumänien / Jahr:

Der Kommunismus hatte eine eher konventionelle Auffassung von Kunst und ihrer Rolle im öffentlichen Raum. Daher war es wohl eine natürliche Konsequenz, dass der Volkszorn 1989-1991 gegen jene politische Ikonographie entbrannte, die zu einem wesentlichen Teil der Landschaft geworden war. Der Stil des sozialistischen Realismus sollte einen Gegensatz zur Abstraktion bilden. Dieser Stil hatte sich schon in den 1930er Jahren in der UdSSR und nach 1945 auch in den Satellitenstaaten durchgesetzt. Die mehr oder weniger massiven Statuen waren dreidimensionale Abbilder der ideologischen Litanei mit ihren Schutzheiligen (Lenin, Marx, Engels), den Staats- und Regierungschefs, mit den Denkmälern für die Toten, den starken Arbeitern und glücklichen Familien, die die sozialistischen Städte bevölkerten. Dort fanden nationale Feiern statt und frisch verheiratete Paare ließen hier ihre Hochzeitsbilder machen. Nach 1989 wurden sie in einigen Ländern als Überreste einer verlorenen Zeit (Deutschland) geschützt oder in historische Parks (Ungarn, Russland) umgewandelt. In anderen Ländern wurden die Statuen schnell zerstört oder an Sammler rund um den Globus verkauft.

Sozialistische Erziehung in Ostdeutschland: Schaffung des „Neuen Menschen"

Die Entwicklung zur „sozialistischen Persönlichkeit“ war die Grundlage der Erziehung der DDR. Dieser neue Mensch sollte bereit sein, „Produzierender“ zu werden, sollte stets dem Regime gegenüber loyal und für dessen Aufrechterhaltung verantwortlich sein.

Land: Deutsche Demokratische Republik / Jahr:

Die Entwicklung zur „sozialistischen Persönlichkeit“ war die Grundlage der Erziehung der DDR. Dieser neue Mensch sollte bereit sein, „Produzierender“ zu werden, sollte stets dem Regime gegenüber loyal und für dessen Aufrechterhaltung verantwortlich sein. Dagegen war es nicht Ziel des Staates, die Situation der Schüler zu verbessern, sondern sie politisch zu kontrollieren. Zu diesem Zweck wurde in jeder Klasse einer kleine Gruppe von Schülern (in der Regel die leistungsstärksten) ausgewählt, die einen Gruppenrat und damit ein politisches Rollenmodell für die anderen Kinder bilden sollten. Neben den schulischen Aktivitäten besorgte die Jugendbetreuung auch politische, sportliche, kulturelle und wissenschaftliche "Arbeitsgemeinschaften". Auch hier sollten die Kinder das Konzept einer sozialistischen Arbeitsgemeinschaft nachempfinden. Nicht nur Historikern ist offenkundig, dass der „erziehende Staat“ nur eingeschränkt erfolgreich in seinen Prägungsbemühungen war. Spätestens Ende der 1970er begannen die Jugendlichen die Politisierung und Militarisierung zu hinterfragen und abzulehnen.