Mangelwirtschaft

Wirtschaft

Mangelwirtschaft

Die Wirtschaft der Ostblockländer sollte jedem Einwohner ein angemessenes Einkommen und eine große Auswahl an kostenlosen Leistungen ermöglichen, sowie der Armut offiziell ein Ende setzen. Tatsächlich reichten die Löhne zwar zum Leben, doch die Versorgung stellte während der späten 1980er Jahre ein Problem dar. Als Ursache dieser Versorgungsengpässe wurde oft die Priorität der Schwer- und Verteidigungsindustrie vor der Konsumgüterproduktion genannt. Die Debatte geht zurück auf die Zeiten von Stalin und Chruschtschow. Doch diese Theorie berücksichtigte nicht die Rolle der künstlich erzeugten Niedrigpreise, die durch staatliche Hilfen stabil gehalten wurden und die die Nachfrage nach Gütern und Grundnahrungsmitteln, die nicht auf Lager waren, erhöhten. Vielmehr waren die Engpässe in der UdSSR und in den anderen Satellitenstaaten nicht gelegentliche Störungen, sondern ein strukturelles Element ihrer Wirtschaft. In dieser „Mangelwirtschaft” waren einige Phasen kritischer als andere. So zum Beispiel in den 1980er Jahren, als in den UdSSR und in Polen Lebensmittelkarten verteilt wurden. Der Staat musste Alternativen finden, um den Wohnungsmangel zu kompensieren. In einigen Staaten gab es Wartelisten (zwischen 10 und 15 Jahre für ein Einfamilienhaus in den frühen 80er Jahren) und es wurden Mehrfamilienhäuser aufgebaut, die mehrere Familien unter einem Dach beherbergten. Diese Engpässe von alltäglichen Konsumgütern und außergewöhnlicheren Geräten, wie Autos und Fernseher, verstärkten die wachsenden Oppositionsbewegungen und führten zur Entwicklung einer inoffiziellen, parallelen Wirtschaft, in welcher die Preise doppelt so hoch waren wie im staatlich kontrollierten Markt, sowie zur Korruption in den Reihen der Nomenklatura.

Themenarchiv

Lebensmittelkarten für Grundnahrungsmittel und Güter (Öl, Streichhölzer, Seife) für Juli, August und September.

Wie in den 1930er Jahren schon musste die UdSSR auch in den 80ern wieder auf Lebensmittelkarten für Grundnahrungsmittel zurückgreifen.

Land: Sowjetunion / Jahr:

Wie in den 1930er Jahren schon musste die UdSSR auch in den 80ern wieder auf Lebensmittelkarten für Grundnahrungsmittel zurückgreifen. Die Karten, die man hier sehen kann, waren drei Monate lang für Olivenöl, Seife und Streichhölzer gültig.

Plakat gegen übermäßige Produktion auf staatlichen Betrieben

"Sei kein Angeber!"

Land: Sowjetunion / Jahr:

"Sei kein Angeber!" Dieses Plakat kritisiert die theoretisch mehr als reichliche Produktion der staatlichen und sowjetischen Bauernhöfe. In der Tat war die landwirtschaftliche Produktion nicht besonders hart von den Engpässen betroffen, aber sie ermöglichte es den Landwirten in staatlichen Betrieben auch nicht, zu wachsen. Um Schwarzhandel zu verhindern, durften Bauern deshalb ihre private Produktion auf Kolchosmärkten verkaufen, wo die Preise nicht vom Staat festgesetzt wurden. Es ermöglichte zwar den Landwirten, ihr Einkommen aufzubessern, jedoch nicht derartig reich zu werden, wie dieses Plakat impliziert.

Plakat aus den 70er Jahren über Nahrungsengpässe

Das Wort „Armut“ wurde praktisch aus den offiziellen sowjetischen Reden gestrichen.

Land: Sowjetunion / Jahr:

Das Wort „Armut“ wurde praktisch aus den offiziellen sowjetischen Reden gestrichen. In den frühen 1980er Jahren zeigten die Umfragen in der UdSSR, dass 90% der Befragten mehrmals im Monat nicht in der Lage war, an Nahrungsmittel zu kommen - vor allem nicht an Fleisch, Eier, Obst und Gemüse. Auf der anderen Seite schien die Versorgung mit anderer Artikel ausreichend zu sein, wie von Fisch, Zucker und ... Wodka!

Ein polnischer Fernsehbericht über den Besuch von Margaret Thatcher in Polen 1988

Im November 1988 stattete die Premierministerin Margaret Thatcher General Jaruzelski in Polen einen offiziellen Besuch ab.

Land: Volksrepublik Polen / Jahr:

Im November 1988 stattete die Premierministerin Margaret Thatcher General Jaruzelski in Polen einen offiziellen Besuch ab. In einem gesellschaftlichen Klima, das durch die Verhandlungen mit der verbotenen Gewerkschaft Solidarność geprägt war, wollte die polnische Regierung der „Eisernen Lady" den Eindruck vermitteln, dass die Bevölkerung jetzt dank der jüngsten „Reformen“, alles auf dem Markt finden konnte, was das Herz begehrt, so dass britische Premierministerin ruhig eine finanzielle Hilfe des Westens für Polen in Betracht ziehen könne.

Interview mit einem polnischen Metzger in den späten 70er Jahren

In den 70er Jahren stiegen die polnischen Schulden auf das Zwanzigfache.

Land: Volksrepublik Polen / Jahr:

In den 70er Jahren stiegen die polnischen Schulden auf das Zwanzigfache. Das Versagen der Wirtschaftspolitik führte in den frühen 1980er Jahren zu einem überraschend starken Anstieg der Konsumgüterpreise. Am 1. Juli 1980 kündigte die Regierung eine Erhöhung der Fleischpreise an, was Demonstrationen und Streiks auslöste. Neun Monate später wurde das System von Lebensmittelkarten für Fleisch eingeführt, aber der Metzger wirkt skeptisch.

Rumänischer Propagandafilm über die hohen Preise der landwirtschaftlichen Produktion im Jahre 1971

In den frühen 1970er Jahren schien die Kollektivierung der Landwirtschaft Rumäniens abgeschlossen zu sein.

Land: Volksrepublik Rumänien / Jahr:

In den frühen 1970er Jahren schien die Kollektivierung der Landwirtschaft Rumäniens abgeschlossen zu sein. Doch die staatlichen oder kollektiven Bauernhöfe, die man in diesem Auszug sehen kann, konnten nicht genug produzieren, um die Nachfrage zu stillen. Rumänien hatte zielgerichtet in die Industrie investiert und landwirtschaftliche Engpässe wurden in den 1980er Jahre, trotz Propagandabilder wie dieser, größer. Die Statistiken der landwirtschaftlichen Produktion wurden während dieser Zeit regelmäßig verfälscht.

Polnischer Fernsehbericht über Bücher-Engpässe

In Polen und der UdSSR wurde der gesamte Prozess der Bücherproduktion und deren Absatz vom Kultusminister geleitet, der den Plan für die Veröffentlichung von Büchern steuerte.

Land: Sowjetunion / Jahr:

In Polen und der UdSSR wurde der gesamte Prozess der Bücherproduktion und deren Absatz vom Kultusminister geleitet, der den Plan für die Veröffentlichung von Büchern steuerte. Zusätzlich zur strengen Zensur, die die Anzahl der verfügbaren Bücher begrenzte, verschärfte der Bücher-Engpass die Entwicklung eines parallelen Marktes von westlichen Büchern, die sich in den 80er Jahren mehr und mehr verbreiteten.

Gefälschte Lebensmittelkarten - ein polnischer Fernsehbericht

In den frühen 80er Jahren brach die Fleischproduktion zusammen, weil die polnische Regierung die Höhe des Imports von Futtermitteln nicht halten konnte und die Preise für Fleisch stiegen sprunghaft an.

Land: Volksrepublik Polen / Jahr:

In den frühen 80er Jahren brach die Fleischproduktion zusammen, weil die polnische Regierung die Höhe des Imports von Futtermitteln nicht halten konnte und die Preise für Fleisch stiegen sprunghaft an. Der Fleischkonsum pro Kopf verringerte sich um 30% und die Regierung musste ein System von Lebensmittelkarten einführen, das Streiks auslöste und sowohl den Schwarzmarkt als auch die Herstellung von gefälschten Lebensmittelkarten belebte.

Wohnungen sind Luxusartikel.

Die Bauindustrie war eine der Industrien, die von den Engpässen betroffen war.

Land: Volksrepublik Polen / Jahr:

Die Bauindustrie war eine der Industrien, die von den Engpässen betroffen war. Trotz der staatlichen Bemühungen konnte der Bau von gut ausgestatteten Wohnungen der Nachfrage nicht gerecht werden. Folglich waren diese Wohnungen nur für eine kleine Minderheit zugänglich - den Mitgliedern der Nomenklatura - oder es gab extrem lange Wartezeiten von bis zu zehn Jahren oder mehr.

Massive Engpässe in der DDR

Am Ende der 1980er Jahren wurde Erich Honeckers Ostdeutschland häufig mit massiven Engpässen konfrontiert.

Land: Deutsche Demokratische Republik / Jahr:

Am Ende der 1980er Jahren wurde Erich Honeckers Ostdeutschland häufig mit massiven Engpässen konfrontiert. Zugegeben, der Grundnahrungsmittelkonsum war hoch und die festgesetzten, subventionierten Preise, die seit über 30 Jahren stabil waren, ermöglichten den Menschen, annehmbar zu leben. Aber die Nachfrage wurde größer, und Familien wollten neue Güter (HiFi-Geräte, Autos, Möbel etc.), die hoch besteuert waren. Zudem war das Angebot sehr begrenzt, was zu Wartelisten führte, die unerträglich lang waren für eine Generation, die zusah, wie das westliche Gegenüber in die Konsumgesellschaft eintrat. Das gesellschaftliche Klima war 1989 folglich sehr angespannt.