Liebe

Gesellschaft

Liebe

„In der Sowjetunion gibt es keinen Sex." Diese berühmt gewordene Aussage einer Russin während einer der ersten Talkshows in der Perestroika-Ära fasst das Klischee gut zusammen, obwohl sie aus dem Kontext herausgerissen wurde. Und doch wurde im Ostblock – genau wie im Westen – in den 70er und 80er Jahren alles etwas weniger prüde. Der Film „Die Legende von Paul und Paula“ (1973) von Heiner Carow war in Ostdeutschland trotz Zensur ein großer Erfolg. Die Heldin war eine geschiedene Frau, die ihr Kind allein großzog und ungeachtet aller Hindernisse die Liebe finden wollte. Aber dieser allmähliche Rückzug aus der Privatsphäre bedeutete nicht, dass der Staat aufhörte, der Gesellschaft Regeln aufzuerlegen. Die UdSSR hatte seit 1917 Richtlinien verfasst zu Sachverhalten wie der weltlichen Hochzeit, Monogamie, Scheidung, Rechtsstatus der Kinder (Gleichheit der Rechte für eheliche und uneheliche Kinder) und Schwangerschaftsabbruch. Seit der Regierungszeit Stalins galt es als verdienstvoll, viele Kinder zu haben (Medaillen und Begünstigungen für „Heldenmütter"). Dies wurde so sehr zur Obsession, dass Schwangerschaftsabbrüche in Rumänien verboten wurden (Dekret 770). Eine unter Stalin eingeführte Steuer für die Kinderlosen gab es bis 1990. Diese „revolutionären" Grundsätze wurden in den Satellitenstaaten mehr oder weniger vollständig in Form von Sozialrecht und staatlicher Unterstützung für Eltern, vor allem für Mütter, umgesetzt (Geburtskliniken, Kindertagesstätten und Horte, Bezahlung für Hausarbeit). Dennoch blieb dieses idealisierte „neue Leben" („novyi bit“) oft eher hypothetisch, anstatt sich in der Realität durchzusetzen. Im Kaukasus und in Zentralasien konnte beispielsweise die Tradition der elterlichen Einwilligung zur Ehe trotz eines entsprechenden Gesetzes von 1917 nicht überwunden werden. Viele junge Paare mussten an das äußere Ende der UdSSR „flüchten“, um den Plänen ihrer Väter zu entkommen. Daneben bedeutete die Ehe aber auch ein Vorrecht auf Wohnungswartelisten, so dass praktische Erwägungen die Liebe oft übertrumpften, d. h. Heirat ließ sich nicht selten auf die angespannten Situation auf dem Wohnungsmarkt zurückführen. Homosexualität war in den Ländern des Ostblocks sowohl ein Tabu als auch ein strafbares Vergehen. Ihr filmisches Coming-Out hatte sie in Heiner Carows gleichnamigen Film, dessen Premierenfeier am 9. November 1989 zufällig in unmittelbarer Nähe zum soeben geöffneten Grenzübergang an der Bornholmer Straße in Berlin statt fand. Der HIV-Virus ließ sich natürlich auch vom Eisernen Vorhang nicht aufhalten.

Themenarchiv

Sozialistische Erotik: Das Magazin

Während Pornografie gleichgesetzt wurde mit kapitalistischer Dekadenz, die den Menschen erniedrigt, hatte die Erotik auch innerhalb des puritanischen Sozialismus ihre Anhänger.

Land: Deutsche Demokratische Republik / Jahr:

Während Pornografie gleichgesetzt wurde mit kapitalistischer Dekadenz, die den Menschen erniedrigt, hatte die Erotik auch innerhalb des puritanischen Sozialismus ihre Anhänger. Trotz der Vorbehalte des Politbüros war FKK üblich – vor allem in Ostdeutschland. Das Magazin, eine ostdeutsche Monatszeitschrift, war mit einer Auflage von bis zu 560.000 Exemplaren (unterm Ladentisch) äußerst erfolgreich, was nicht zuletzt den Cover-Illustrationen und den erotischen Geschichten und Fotos zu verdanken war.

Der glücklichste Tag im Leben

Obwohl das Recht auf Scheidung seit der Revolution gesetzlich gesichert und damit relativ unkompliziert und kostengünstig umzusetzen war, hatte die Institution der Familie eine grundlegende Bedeutung für die sozialistische Gesellschaft.

Land: Sowjetunion / Jahr:

Obwohl das Recht auf Scheidung seit der Revolution gesetzlich gesichert und damit relativ unkompliziert und kostengünstig umzusetzen war, hatte die Institution der Familie eine grundlegende Bedeutung für die sozialistische Gesellschaft. Die Familiengründung fand auf dem Standesamt (russ. ZAGS) oder im sogenannten Hochzeitspalast statt. Der Hochzeitspalast war ein geschmückter Saal, der fröhlicher wirken sollte als das kalte bürokratische Amt. Hochzeiten verbanden Feierlichkeiten und Formalitäten, indem das Hochzeitsdatum in die Pässe von Braut und Bräutigam gestempelt wurde. Menschen, die sich nicht für diese gesetzliche Anerkennung der Familie interessierten, galten in der sowjetischen Gesellschaft als Abweichler, da sie die Rolle des Staates in ihrem Privatleben in Frage stellten. Diese Form der Diskriminierung traf ledige Frauen am härtesten.

"Wir haben keinen Sex"

„Wir haben keinen Sex .... und wir sind total dagegen“ – diese markante Aussage ließ eine sowjetische Frau in einer Fernsehsendung am 17. Juli 1986 verlautbaren ...

Land: Sowjetunion / Jahr:

„Wir haben keinen Sex .... und wir sind total dagegen“ – diese markante Aussage ließ eine sowjetische Frau in einer Fernsehsendung am 17. Juli 1986 verlautbaren, die gleichzeitig in den Studios in Leningrad und Boston gedreht wurde. Während der Sendung – eine der ersten sichtbaren Zeichen der Ost-West-Entspannung – hatte eine amerikanische Frau die permanenten Anspielungen auf Sex im amerikanischen Fernsehen erwähnt und daraufhin gefragt, ob es in der Sowjetunion vergleichbar wäre. Die Antwort der sowjetischen Frau bezog sich auf die Tabuisierung von Sex in der UdSSR und wurde zur Kultphrase. Erst viel später wurde bekannt, dass die Hälfte von dem, was sie wirklich gesagt hatte, im Schnittraum geblieben war. Die vollständige Antwort lautete in Wirklichkeit: „Es gibt keinen Sex in der UdSSR ... es gibt nur Liebe.“

AIDS – „die Pest des Westens“?

Die UdSSR war jahrelang der festen Überzeugung, sie wäre sicher vor dem Westen und seinen „Plagen“, einschließlich AIDS ...

Land: Sowjetunion / Jahr:

Die UdSSR war jahrelang der festen Überzeugung, sie wäre sicher vor dem Westen und seinen „Plagen“, einschließlich AIDS, das – in der Terminologie der AIDS-Experten der DDR – am ehesten die „homosexuelle Bevölkerung mit hohem Infektionsrisiko“ betreffen würde. Da sowohl Homosexualität als auch Drogenkonsum in der UdSSR verboten waren, glaubte das Land, es sei ebenso sicher vor AIDS. 1987 schockten 300 positive HIV-Fälle bei Kindern in den Städten Wolgograd, Krasnodar und Rostow am Don nicht nur die Regierungsbeamten, die daraufhin versuchten, ein System der universalen obligatorischen Kontrolle einzuführen. In Rumänien, wo AIDS sogar noch stärker tabuisiert wurde als in der UdSSR, waren mehr als 7.000 Kinder durch ungetestete Bluttransfusionen und unsterilisierte medizinische Geräte infiziert worden.

Sowjetische Kondomhüllen - Produkt No. 2

Kondome (weder bunt noch skurril), waren in staatlich geführten Apotheken schwer zu bekommen.

Land: Sowjetunion / Jahr:

Kondome (weder bunt noch skurril), waren in staatlich geführten Apotheken schwer zu bekommen. Sie wurden als „Produkt Nr. 2“ bezeichnet, da die Fabrik, die sie herstellte, auch Latexgasmasken, also „Produkt Nr. 1“, herstellte. Die Pille war ebenfalls schwer erhältlich und zudem kostspielig. 1957 wurde der legale Schwangerschaftsabbruch, sowohl in der UdSSR als auch in vielen anderen Ostblockländern, darunter auch dem katholischen Polen wieder eingeführt (noch vor vielen westlichen Ländern).

Das rumänische Anti-Abtreibungsgesetz

Da er besessen war von der Idee, die Bevölkerungszahl Rumäniens zu erhöhen, entwickelte Nicolae Ceauşescu eine strikte pronatalistische Politik.

Land: Volksrepublik Rumänien / Jahr:

Da er besessen war von der Idee, die Bevölkerungszahl Rumäniens zu erhöhen, entwickelte Nicolae Ceauşescu eine strikte pronatalistische Politik. 1966 ließ er mit dem Dekret 770 Schwangerschaftsabbrüche und Empfängnisverhütung verbieten und führte zudem strenge Beschränkungen bezüglich der Ehescheidung ein. Kinderlose Paare mussten zusätzliche Steuern zahlen. Landärzte wurden dafür verantwortlich gemacht, wenn in ihrer Region ein Kind starb, bevor es das erste Lebensjahr erreicht hatte. Tatsächlich stieg die Bevölkerungszahl unter diesen Umständen. Doch Tausende von Kindern zahlten den hohen Preis, indem sie von ihren Familien aufgegeben wurden, weil diese nicht für die Bedürfnisse der Kinder sorgen konnten. Die Kinder wurden in staatlichen Waisenhäusern untergebracht, wo aufgrund des chronischen Mangels an Pflege und Medikamenten die Kindersterblichkeit überdurchschnittlich hoch war.